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Cleveres Design – mehr als die halbe Miete


"Nachhaltigkeit beginnt im Design", da stimmen Burkhard Remmers, Leiter der Internationalen Unternehmenskommunikation beim Büromöbelhersteller Wilkhahn sowie Jurymitglied beim Effizienz-Preis NRW 2013, und Dr. Peter Jahns, Leiter der Effizienz-Agentur NRW, überein. Laut einer Untersuchung der EU-Kommission entscheidet sich sogar zu 80 Prozent bereits in der Designphase wie nachhaltig ein Produkt tatsächlich ist.

Burkhard Remmers, Leiter der Internationalen Unternehmenskommunikation beim Büromöbelhersteller Wilkhahn sowie Jurymitglied beim Effizienz-Preis NRW 2013.

Bei Produkten unseres täglichen Lebens geht es, möchte der Hersteller ressourceneffizient und nachhaltig sein, nicht um das "Hübschmachen am Ende", sondern um die zentrale Weichenstellung gleich von Anfang an. Das Produkt-Design entscheidet letztlich über den Mehrwert eines Produktes. Es wirkt sich in Bereichen wie der nachhaltigen Materialwahl aus, beeinflusst die Effizienz der Produktionsprozesse und – in einem zunehmend kritischen Endverbrauchermarkt – auch die Wettbewerbsfähigkeit. Bedenkt man noch Produktlebensdauer und Gebrauchsqualität, Reparaturfähigkeit und am Ende den Wertstoffkreislauf, umfasst die Tragweite der Produktgestaltung den kompletten Lebenszyklus. Es ist folglich schlauer, sich diese Fragen ganz am Anfang zu stellen, statt später aufwendige Korrekturen vorzunehmen.

Um zu zeigen, wie innovativ mittelständische Unternehmen in NRW bei der Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger und effizienter Produkte schon heute sind, rief die Effizienz-Agentur NRW im Frühjahr 2013 zur Teilnahme am "Effizienz-Preis NRW – Das ressourceneffiziente Produkt 2013" auf. 68 Unternehmen nahmen teil.

In der Expertenjury des Effizienz-Preises, dessen Gewinner bei der Preisverleihung am  19. September von NRW-Umweltminister Johannes Remmel ausgezeichnet werden, saßen Vertreter aus Industrie, Wissenschaft, Verwaltung und Medien. Aus dem Blickwinkel eines mehrfach für Nachhaltigkeit und Design ausgezeichneten Unternehmens gab Burkhard Remmers sein Jurorenurteil ab.

Hier seine Antworten zu sechs Fragen rund um die Bedeutung von Design und Nachhaltigkeit für effiziente Produkte:

Welche Rolle spielen nachhaltig gestaltete Produkte für die deutsche Möbelindustrie?

Die Möbelindustrie hat sich schon sehr frühzeitig – vielleicht sogar als eine der ersten Branchen – mit Nachhaltigkeit befasst, vermutlich weil der Rohstoff Holz dort eine zentrale Rolle spielte und damit die Nähe zur Forstwirtschaft als Ursprung der Nachhaltigkeitsidee gegeben war. Es gibt in Deutschland deshalb eine lange Tradition, Möbel zu entwickeln, die Qualitäten zum "Vererben" haben: Langlebigkeit durch den Einsatz erstklassiger Materialien mit entsprechender Verarbeitung, durch eine lange Zeit gültige Funktionalität, so dass die dauerhafte Gebrauchsfähigkeit gegeben ist, und durch eine zeitstabile Gestaltung jenseits schnelllebiger Moden und Trends.

Welche Aspekte standen für Sie als Jurymitglied bei der Wahl der ressourceneffizientesten Produkte im Vordergrund?

In den Ausschreibungskriterien der Effizienz-Agentur NRW wurden alle relevanten Themen abgefragt: von Konzept und Ideenbeschreibung über Wirkungsbereich und ökologische Effekte, den wirtschaftlichen Erfolg und die Breitenwirkung bis hin zu den Auswirkungen auf die Alltagskultur der Nutzer. Für mich persönlich hat die Frage der Breitenwirkung eine besondere Bedeutung. Der Preis soll ja möglichst viele andere Unternehmen und auch den Verbraucher dazu anregen, über Ressourceneffizienz nachzudenken und Verbesserungen umzusetzen. 
 
Nahezu 70 Unternehmen haben sich an dem Wettbewerb beteiligt. Lässt sich ein besonderer Trend zu ressourceneffizienten Produkten feststellen?

Ressourceneffizienz ist ein weites Feld und das spiegelt sich in den Einreichungen wider. Das Thema Energie spielt natürlich gerade in energieintensiven industriellen Verfahren eine große Rolle, aber auch die Frage der Abfallverringerung und Abfallvermeidung in Herstellungs- und Logistikprozessen oder der Ersatz ökologisch problematischer Materialien durch Recyclingprodukte oder nachwachsende und natürliche Rohstoffe. Hier paaren sich ökologische mit ökonomischen Vorteilen, woraus sich in der Wirtschaft ein hoher Anreiz zur Nachahmung ergeben kann.  

Lassen sich die Erkenntnisse gegebenenfalls auf andere Branchen übertragen oder sind diese verallgemeinerbar?

Die Kombination aus qualitativen und quantitativen Aspekten, wie sie sich auch im Effizienz-Preis spiegelt, ist sicher ein übertragbarer und vor allem auch notwendiger Schritt angesichts des wachsenden Rohstoffhungers bei begrenzten Ressourcen und limitierter Belastbarkeit der Ökosysteme. Bei Verfahrensinnovationen kann manchmal nicht beeinflusst werden, wo die produzierten Halbzeuge zum Einsatz kommen.

"Produktgestaltung mit langfristiger Gültigkeit" und "Fairness gegenüber Mensch und Umwelt" sind Leitprinzipien bei Wilkhahn – was bedeutet das für die tägliche Arbeit in Ihrem Unternehmen?

Es geht hier schlicht um die Fragen, was wir eigentlich tun, und unter welchen Wertsetzungen dies geschieht. Das hat sich bei uns seit den 1950er Jahren beständig entwickelt und ist etabliert. Konkret bedeutet dies bei der Produktneuentwicklung die Orientierung an unserem ökologischen Designkonzept, das qualitative und quantitative Aspekte verbindet und beispielsweise auch die Reparaturfreundlichkeit zur Verlängerung der Gebrauchsdauer umfasst. Seit 2002 werden zudem alle Prozesse im Rahmen des Umweltmanagementsystems EMAS gesteuert. Umweltverantwortung und Sozialorientierung lassen sich aus unserer Sicht nicht voneinander trennen – weder im eigenen Unternehmen noch gesellschaftlich oder im Rahmen der globalen Herausforderungen.

Bedeuten mehr ökologische Gütezeichen mehr Transparenz für den Verbraucher oder "Green Washing" für die Wirtschaft?

Beides. Die Verbraucher sind sensibilisiert, aber gleichzeitig auch verunsichert und angesichts der Flut von Umweltlabels überfordert. Manche Unternehmen nutzen Umweltlabels nur als Marketingstrategie. "Green Washing" aber diskreditiert das Thema bei den Verbrauchern und liefert nebenbei die perfekte Entschuldigung, sich auf keine Verhaltensänderungen einzulassen. Umgekehrt gilt: Je stärker sich Unternehmen und Verbrauer mit Ratingsystemen und Gütezeichen beschäftigen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Verbesserungspotenziale erkannt und umgesetzt werden. Vielleicht muss man das ganz pragmatisch sehen: Der Weg ist immer auch Ziel.