Herr Dr. Jahns, die EFA ist seit jeher nah dran an den produzierenden Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Wie ist aus Ihrer Sicht zurzeit die Stimmung in der Wirtschaft?
Die Stimmung in den Unternehmen ist sehr unterschiedlich. In Branchen, die schon vor der Pandemie mit Strukturdefiziten zu kämpfen hatten, hat sich die Situation verschärft. In anderen Branchen läuft die Produktion ungemindert weiter oder erlebt zurzeit förmlich einen Run. Das liegt u. a. daran, dass diese Unternehmen bereits vor der Krise gut aufgestellt waren oder sich flexibel auf die geänderten Rahmenbedingungen eingestellt haben. Darüber hinaus hat die Pandemie das Bewusstsein für regionale Wertschöpfungsketten gestärkt.
Im vergangenen November hat die Landesregierung das Sonderprogramm „Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz“ im Rahmen des Nordrhein-Westfalen-Programms zur Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie gestartet. Die EFA unterstützt als Fachpartner die Umsetzung des Programms. Was wird gefördert und wie können interessierte Unternehmen daran teilhaben?
Mit dem Sonderprogramm stellt die Landesregierung Zusatzmittel in Höhe von bis zu 10 Millionen Euro für den Ausbau der Kreislaufwirtschaft im Sinne einer Circular Economy und zur Steigerung der Ressourceneffizienz in produzierenden Unternehmen zur Verfügung. Denn vergessen wir nicht: Neben der Pandemie bedroht uns unverändert der Klimawandel. Private gewerbliche Unternehmen ohne Größenbeschränkung können einen Antrag stellen, wenn sie erstmalig großtechnisch neuartige ressourceneffiziente Technologien bzw. Recyclingtechnologien zur Anwendung bringen. Die Projekte können mit bis zu 500.000 Euro gefördert werden. Wichtig ist, dass die Vorhaben bis zum 30. September 2022 abgeschlossen sein müssen, deshalb raten wir zu einer kurzfristigen Antragstellung. Bei Fragen stehen die Finanzierungsexperten der EFA jederzeit zur Verfügung.
Darüber hinaus hat das Land die Förderquote im Beratungsprogramm „Ressourceneffizienz.NRW“ von 50 auf 70 Prozent erhöht. Davon profitieren alle produzierenden Unternehmen, die noch unsicher sind, in welcher Form sie sich durch ressourceneffizientere Verfahren zukunftsfähiger aufstellen können. Hier hilft das breite Angebot an Analysemethoden der EFA.
Beschleunigt die Pandemie aus Ihrer Sicht den strukturellen Wandel der Wirtschaft? Und welchen Stellenwert hat dabei das Thema Ressourcenschonung?
Wir erleben durch die Corona-Krise und die Lockdown-Situation einen digitalen Umbruch. Die Digitalisierung ist zu einem wichtigen Strukturelement geworden, ohne das nichts läuft. Denken Sie an Anwendungsbereiche wie Homeoffice, Schulungen, Vertieb, aber die Logistik entlang der Wertschöpfungsketten. Diese rasanten Entwicklungen wurden so nicht vorausgesehen. Wir müssen aber aufpassen, dass das soziale Miteinander sowohl im Geschäftsleben als auch in der Gesellschaft nicht verloren geht. Das betrifft auch Bereiche wie die Beschaffung, den Vertrieb oder die Entwicklung von Produkten, denn diese sind letztendlich kulturbestimmende Faktoren und müssen - auch im globalen Markt – regional individuelle Bedürfnisse befriedigen. Digitale Lösungen können unterstützen, aber nicht den persönlichen Umgang ersetzen.
Wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um als Unternehmen eine Ressourceneffizienz-Analyse zu machen?
Auf jeden Fall! Eine Ressourceneffizienz-Analyse ermöglicht es Unternehmen, bestehende Prozesse zu überprüfen und Verbesserungspotenziale zur Ressourcenschonung zu heben. Sie bildet auch eine gute Basis, um angesichts sich ändernder Marktbedingungen bestehende Geschäftsmodelle zu hinterfragen und auch weiterzuentwickeln.
Herr Dr. Jahns, welche thematischen Schwerpunkte setzt die Effizienz-Agentur NRW in 2021?
Um ressourcenschonender zu wirtschaften, müssen wir zukünftig mehr in ganzheitlichen Kreisläufen denken. Deshalb werden wir auch dieses Jahr unser Angebot im Bereich ecodesign weiterentwickeln und ausbauen. Es muss darum gehen, sowohl Rohstoffe als auch Produkte so lange wie möglich in der technischen Nutzung und somit im Wirtschaftsprozess zu halten. Das ist auch ein entscheidendes Ziel im Rahmen des Green Deals der EU. Die Produktentwicklung sehen wir hier als zentralen Schlüssel, um dies zu erreichen – zum Nutzen der Wirtschaft und des Klimas. Entscheidend ist aber auch – und das liegt etwas außerhalb unseres Wirkungskreises –, gesellschaftlich die Bereitschaft zu einer Änderung des Konsumentenverhaltens zu erreichen: Nutzen statt besitzen.
Ein weiterer Schwerpunkt in Hinblick auf die produzierenden Unternehmen ist die Digitalisierung im Sinne einer „Ressourceneffizienz 4.0“. Dabei geht es uns weniger um digitale Produktionsverfahren wie z. B. den 3D-Druck, sondern vielmehr um die digitale Steuerung entlang der Wertströme, also in der Auftragsklärung, der Auftragsabwicklung, der Kalkulation und letztendlich der Unternehmenszukunft – also der Entwicklung neuer Geschäftskonzepte auf Basis digitaler Methoden.
Veranstaltungen sind ein wichtiges Standbein Ihrer Agentur, um neue Ansätze und erfolgreiche Lösungen in die Breite zu tragen. Die Umstellung von Präsenzveranstaltungen auf Online-Angebote hat die EFA vergangenes Jahr sehr schnell bewältigt. Welche Erfahrungen haben Sie mit den digitalen Formaten gemacht und wie glauben Sie, wird es in Zukunft weitergehen?
Die Umstellung auf digitale Formate im letzten Frühjahr konnten wir schnell realisieren – das war eine hervorragende Teamleistung. Die sehr gute Resonanz auf unsere Online-Veranstaltungen hat uns im ersten Moment überrascht. Die Vorteile liegen bei vielen Formaten jedoch auf der Hand: Webinare lassen sich häufig schneller realisieren und es lassen sich Zielgruppen erreichen, die aufgrund der räumlichen Entfernung an Präsenzveranstaltungen in der Vergangenheit nicht teilgenommen haben. Auch stellen wir fest, dass sich gerade Jüngere durch unsere digitalen Angebote angesprochen fühlen.
Trotzdem können Video-Konferenzen und Webinare den sozialen Aspekt von Präsenzveranstaltungen nicht auffangen. Oft sind es doch die Gespräche, die während der Kaffeepause oder zwischen den Vorträgen geführt werden, die zu neuen Kontakten oder zu Anregungen führen, die dann im eigenen Unternehmen ausprobiert werden. Deshalb glaube ich, dass die Zukunft unserer Veranstaltungen hybrid sein wird. Veranstaltungen werden mit Teilnehmern aus der Region in einem authentischen Rahmen stattfinden und darüber hinaus durch digitale Angebote und Streamings eine größere Reichweite finden als bisher. Bei unserer ecodesign-Konferenz letzten September in Köln ist dies bereits sehr gut gelungen.
Ende des Jahres wird zum neunten Mal den Effizienz-Preis NRW verliehen. Die Bewerbungsphase läuft noch bis zum 2. Juli. Was steht diesmal bei der Auszeichnung im Mittelpunkt? Womit können sich Unternehmen bewerben?
Im Mittelpunkt des Effizienz-Preises NRW stehen auch dieses Jahr ressourceneffiziente Produkte oder damit verbundene Dienstleistungen aus Nordrhein-Westfalen, die einen Beitrag hin zu einer Circular Economy leisten. Wir hoffen auf noch mehr Produktideen, die wir im täglichen Leben anwenden können. Gebrauchsgüter, die uns helfen, ressourcenschonender zu leben – also weniger Material und Energie verbrauchen. Die feierliche Verleihung wird im Herbst in Köln stattfinden. Wir sind schon gespannt, an welche Unternehmen NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser dieses Jahr die Preise verleihen wird. Interessierte Unternehmen können sich jetzt unter www.effizienzpreis-nrw.de bewerben.
Herr Dr. Jahns, vielen Dank für das Gespräch.