Meldungen

Interview mit NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser zum Start des Sonderprogramms für Kreislaufwirtschaft und Ressourceneffizienz


Die Corona-Pandemie stellt Nordrhein-Westfalen vor bisher unbekannte Herausforderungen. Zur Abmilderung der krisenbedingten wirtschaftlichen Folgen und zur Stärkung der Zukunftsfähigkeit des Landes gilt es nun, die Wirtschaft zu unterstützen, ohne dabei den Umwelt- und Klimaschutz aus den Augen zu verlieren. Wir sprachen mit NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser über die beschlossenen Maßnahmen der Landesregierung, wie die Krise als Chance für eine nachhaltigere Entwicklung genutzt werden kann und welche Rolle die Themen Ressourceneffizienz und Circular Economy dabei spielen werden.

Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen. Foto: Anke Jacob

Sehr geehrte Frau Ministerin, Unternehmen brauchen gute Rahmenbedingungen, damit sie nachhaltige und innovative Ideen anwenden, um den Stillstand zu überwinden. Können die Betriebe seitens Ihres Hauses zusätzliche Anreize für ein umweltschonenderes Wirtschaften erhalten, damit in dieser drängenden Phase des Wiederanfahrens der Umweltschutz nicht aus den Augen verloren geht? Was wäre besonders wichtig?

Ziel muss es sein, dass sich unsere Wirtschaft nicht nur schnellstmöglich erholen kann, sondern dass sie noch nachhaltiger, klimafreundlicher und ressourceneffizienter aus der Krise hervorkommt. Wenn wir uns jetzt als Gesellschaft und Volkswirtschaft nachhaltig aufstellen, gestalten wir gleichzeitig Zukunft und Zukunftsmärkte. Die Herausforderungen wie der Klimawandel, die Ressourcenverknappung oder der bedrohliche Verlust an Biodiversität sind ja nicht verschwunden. Ein Re-Start mit einer weiteren Aufwertung von Umwelt- und Klimaschutz kann Grundstein für eine nachhaltige und erfolgreiche Wirtschaftsentwicklung sein, darin ist sich die Landesregierung einig.

Deshalb hat die Landesregierung das Konjunkturprogramm ‚Nordrhein-Westfalen-Programm I‘ erarbeitet, mit dem wir die Bewältigung der Pandemiefolgen unterstützen und gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit des Landes stärken. In diesem Rahmen stellen wir Zusatzmittel in Höhe von bis zu 10 Millionen Euro bereit, um gemeinsam mit der Wirtschaft in NRW vermehrt Ressourceneffizienz- und Circular Economy-Projekte anzustoßen. Wir werden unser erfolgreiches Beratungsprogramm Ressourceneffizienz.NRW verstärken und weiterentwickeln. Durch eine Erhöhung der Förderquote auf 70 Prozent können besonders kleine und mittlere Unternehmen noch stärker von externer Beratung profitieren und in ressourceneffiziente Verfahren und Projekte investieren. Hier kommt der Effizienz-Agentur NRW mit ihrem großen Beratungsangebot zur Steigerung der Ressourceneffizienz eine wichtige Schlüsselrolle zu.

Die Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft erhielt durch die Coronakrise in den vergangenen Monaten einen ungeahnten Schub. Welche Rolle kann die digitale Transformation aus Ihrer Sicht für die Steigerung der Ressourceneffizienz spielen?

Die Corona-Pandemie führte innerhalb weniger Wochen zu einem massiven Push bei der Digitalisierung. Daran müssen wir anknüpfen und die Chancen für ein effizienteres und ökologischeres Arbeiten nutzen. Aber auch dabei müssen wir die ganze Kette im Blick behalten, denn auch für digitale Infrastrukturen werden beispielsweise Rohstoffe benötigt.

Wir benötigen Lösungen, mit denen Produkte und Dienstleistungen zukünftig noch ressourceneffizienter gestaltet, produziert und genutzt und Prozesse effizienter gemacht werden können. Mein Haus möchte gerade kleine und mittlere Unternehmen bei der digitalen Transformation im Sinne von „Ressourceneffizienz 4.0“ unterstützen. Um diesen Baustein haben wir das Beratungsprogramm Ressourceneffizienz.NRW bereits erweitert. Wichtig ist, dass eine zunehmende Digitalisierung mit der Wahrung der digitalen Verbraucherrechte und der Datensouveränität einhergeht. Es bringt wenig, wenn wir durch Technik zwar effizienter, ungewollt aber transparenter werden.

Mehr als die Hälfte der Bevölkerung schätzt entsprechend einer aktuellen Befragung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, dass die Klimakrise langfristig größere Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft haben wird als die Folgen durch die Pandemie. Könnte jetzt vielleicht der richtige Zeitpunkt sein, ein grundlegendes Umschwenken unserer Wirtschaftsweise hin zu einer umweltschonenderen zirkulären Wirtschaft im Sinne der EU-Strategie „Circular Economy“ in Angriff zu nehmen?

Das Pariser Klimaschutzabkommen und die Agenda für eine nachhaltige Entwicklung sind wichtige Leitplanken für die Neuausrichtung. Das Konzept der Circular Economy birgt große Potenziale, um durch eine Schonung der Rohstoffe und der Biodiversität zur Umsetzung der Umwelt- und Klimaschutzziele beizutragen. Dazu müssen Produktions- und Materialkreisläufe geschlossen werden, aber nicht nur in den Unternehmen, sondern in der gesamten Gesellschaft – hier sind auch die Verbraucherinnen und Verbraucher gefordert.

Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen hier auch einen großen Handlungsbedarf sehen und diesen Weg unterstützen – eben nicht ein „Weiter so“. Mehrweg statt Einweg, unverpackt statt verpackt, umweltschonend statt Ressourcen verschwendend, am Bedarf statt am Überfluss ausgerichtet. Dafür brauchen wir geeignete Produkte und Geschäftskonzepte, die uns ein zirkuläres Wirtschaften ermöglichen: Es ist besser, Abfälle zu vermeiden, als zu überlegen, was wir mit unseren Abfällen machen können.

Wo steht NRW in diesem Kontext?

Als bevölkerungsreiches Industrieland steht Nordrhein-Westfalen vor besonderen Herausforderungen, wenn es darum geht, Ökonomie, Ökologie und den sozialen Zusammenhalt zu verbinden. Wir können und müssen hier eine Vorreiterrolle einnehmen.

Gerade in Sachen Ressourceneffizienz hat Nordrhein-Westfalen schon viel zu bieten, und die Circular Economy bietet weitere Chancen, die wir nutzen wollen. Hier wird das Rheinische Revier als Modellregion zukünftig eine wichtige Rolle spielen. Der Bund unterstützt die Region mit 15 Milliarden Euro, um sich nach dem Braunkohleausstieg zu einem hochmodernen Wirtschafts- und Technologiestandort weiterzuentwickeln. Da wird das Themenfeld Ressourceneffizienz eine ganz wichtige Rolle spielen.

Die Effizienz-Agentur NRW setzt sich seit ihrer Gründung durch das Umweltministerium für das ressourceneffiziente Wirtschaften in NRW ein. Welchen besonderen Beitrag könnte aus Ihrer Sicht die EFA den Unternehmen geben, damit ein Neustart auch ökologisch und nachhaltig orientiert ist?

Die Effizienz-Agentur NRW leistet seit mehr als 20 Jahren wertvolle Arbeit in der Beratung von Industrie und Handwerk und unterstützt so die Verbesserung der Ressourcennutzung. Die Partner finden dort eine kompetente Anlaufstelle, wenn es um Finanzierungsfragen und Networking geht. Auf diese Weise werden jährlich Investitionen von bis zu 100 Mio. EUR in ressourceneffiziente Technologien ausgelöst – das steigert auch die Nachfrage bei den innovativen Anbietern. Viele Unternehmen entwickeln bereits neue, ressourcenschonende Produkte und Dienstleistungen – gerade auch in Zusammenarbeit mit der EFA. Durch ihre Bereitschaft zur Veränderung und Innovation verbinden diese Unternehmen ökologische Verantwortung mit ökonomischen Chancen und sozialer Gerechtigkeit – also das klassische Dreieck der Nachhaltigkeit. Damit positionieren sie sich auf Zukunftsmärkten, sichern Lebensqualität und Arbeitsplätze. Dabei setze ich weiterhin auf das Know-how und die Beratungskompetenz der EFA. Ihr Slogan ‚Ressourcen schonen. Wirtschaft stärken‘ steht für grundlegende Ziele unserer Politik und ist aktueller denn je.

Sehr geehrte Frau Ministerin, vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Thomas Splett, Pressesprecher der Effizienz-Agentur NRW.

Weitere Informationen: