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Interview mit Klaus Gervelmeyer, kaufmännischer Leiter der ABC-Klinkergruppe


Die ABC-Klinkergruppe ist seit über 130 Jahren ein inhabergeführtes Familienunternehmen der Ziegelindustrie. An sechs Standorten in NRW und Niedersachsen werden Fassadenklinker, Pflasterklinker, Dachziegel, Keramikfassaden und Backsteinriemchen hergestellt. Das Feingespür und die innovative Leidenschaft für den Ziegel prägen und bestimmen das Unternehmen. Wir sprachen mit dem kaufmännischen Leiter Klaus Gervelmeyer über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die ABC-Klinkergruppe, die Verankerung von Nachhaltigkeitskriterien in der Firmenstrategie und aktuelle Investitionen in Ressourceneffizienzmaßnahmen.

Klaus Gervelmeyer: "Alle laufenden Ressourceneffizienz-Projekte sind nach anfänglichen Verzögerungen wieder im Zeitplan." Foto: ABC-Klinkergruppe

Herr Gervelmeyer, die Corona-Pandemie hat unmittelbare Auswirkungen auf produzierende Unternehmen in Deutschland. Wie schwer trifft die Krise Ihr Unternehmen?

Bisher sind die Auswirkungen im aktuellen Geschäft nur sehr verhalten zu spüren. Die Baugenehmigungszahlen sind noch nicht eingebrochen und laufende Projekte werden nicht abgebrochen, sondern zu Ende geführt. Ich glaube, dass sich Effekte in der Baubranche erst mit Verzögerungen einstellen werden. So wird der Einfamilienhausbau voraussichtlich 2021 und 2022 rückläufig sein, da die Entscheidung für einen Hauskauf für den Kunden unmittelbar von einem sicheren Arbeitsplatz abhängt. Der Mehrfamilienhaussektor und der kommunale Wohnungsbau werden auch künftig aufgrund des Wohnungsnotstandes stabilisierende Faktoren sein.

Die ABC-Klinker-Gruppe hat ein Worst-Case-Szenario erarbeitet, das dieser Entwicklung Rechnung trägt. Derzeit deuten die Produktionsdaten an, dass das Vorjahresniveau auch in diesem Jahr erreicht wird.

Die Pandemie hatte Auswirkungen auf die betrieblichen Prozesse, die hinsichtlich der hygienetechnischen Maßnahmen neu durchdacht werden mussten. Dabei erfolgte eine Trennung der Maßnahmen zwischen Verwaltung und Produktionsbetrieb.

Bund und Länder haben in den vergangenen Wochen Hilfsprogramme für Unternehmen aufgelegt, um kurzfristig die Wirtschaft zu unterstützen. Helfen Ihnen diese Unterstützungsangebote in der aktuellen Situation?

Die Programme der Bundesregierung sind insbesondere für KMU eine gute Unterstützung und tragen zur Planungssicherheit bei. Wir haben einen KfW Sonderkredit 2020 beantragt, der auch bewilligt wurde. Ob ein Abruf der Mittel in den nächsten Monaten erfolgen wird, können wir heute noch nicht abschätzen. Sollte sich im Laufe des Jahres zeigen, dass der Liquiditätsbedarf nicht benötigt wird, werden wir das Darlehen zurückgeben.

Ihr Unternehmen hat in den vergangenen Jahren viele Maßnahmen umgesetzt, um noch ressourceneffizienter und klimaschonender zu produzieren. Welchen Stellenwert hat das Thema Ressourceneffizienz für Ihre Unternehmensstrategie?

Das Thema hat einen bedeutenden Stellenwert. Der Standort in Hörstel liegt mit seinen Kennzahlen zur Energieeffizienz oberhalb der Benchmark für die Ziegelindustrie. Die gewonnen Erfahrungen werden aktuell und künftig auf die bestehenden Werke übertragen. Dabei werden auch regionale Anbieter ressourceneffizienter Verfahrenstechnik in die Weiterentwicklung mit einbezogen. Wir wollen verantwortungsvoll mit dem Grundrohstoff umgehen.

Gerne möchten wir das Thema CO2-Ausstoß mehr in die Wahrnehmung der Gesellschaft bringen. Das möchte ich an einem einfachen Beispiel erläutern: Ein zweiwöchiger Familienurlaub mit Flug und Hotelunterkunft in Dubai erzeugt genauso viel CO2 wie die Produktion der Verblender für ein Einfamilienhaus, das bis zu hundert Jahre genutzt werden kann. Der ökologische Fußabdruck des menschlichen Handelns muss transparenter werden, damit Fehlentwicklungen vermieden werden können.

Zahlreiche Betriebe haben zurzeit ihre Investitionen zurückgefahren oder sogar gestoppt. Die ABC Klinkergruppe setzt gerade mehrere Ressourceneffizienz-Maßnahmen um. Hatten Sie in den vergangenen Wochen mit dem Gedanken gespielt, die Projekte vielleicht einzufrieren?

Darüber haben wir nachgedacht, aber es bleibt bei der Durchführung dieser für das Unternehmen strategisch wichtigen Projekte, weil sie zu einem nachhaltigen Unternehmenserfolg beitragen. Das Stoppen dieser Maßnahmen wäre unvorteilhaft, da sich zu einem späteren Zeitpunkt ein viel größerer Aufwand einstellen würde. Andere Investitionen wie der Einkauf von Staplern oder der Ersatz der Fahrzeugflotte nach einer Laufleistung von 150.000 km werden aktuell zur Stützung der Liquidität zurückgestellt.

Welche Probleme bringen die Pandemie-Einschränkungen bei der Umsetzung der Projekte mit sich? Sind Sie noch im Zeitplan?

Alle laufenden Projekte sind nach anfänglichen Verzögerungen wieder im Zeitplan. Unser italienischer Anlagenbauer kann z.B. inzwischen wieder liefern und hat die Verzögerungen aufgeholt.

Wir selber haben uns zu Beginn des Jahres bei den ersten Anzeichen der Pandemie deutlich an Hilfs- und Betriebsstoffen bevorratet. Von den erhöhten Lagerbeständen profitieren wir noch heute.

Inwieweit unterstützt Sie die Finanzierungsberatung der Effizienz-Agentur NRW bei den aktuellen Maßnahmen?

Die Finanzierungsberatung der Effizienz-Agentur NRW steht uns mit ihrem weitreichenden und stets aktuellen Wissen rund um das Thema Fördermittel bei unseren Ressourceneffizienz-Projekten zur Seite und hilft uns dabei, auch über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.

Wie wird es auch Ihrer Sicht nach der Krise weitergehen? Glauben Sie, dass Themen wie Ressourceneffizienz und Nachhaltigkeit einen größeren Stellenwert in der Wirtschaft haben werden? Oder werden sie aufgrund der aktuellen Nöte eher ins Hintertreffen geraten?

Nach der Krise wird es nicht im Stil des „business as usual“ weitergehen. Das Thema Ressourceneffizienz wird einen noch höheren Stellenwert bekommen. Dienstreisen werden sich reduzieren, aber der Erstkontakt mit Kunden und Lieferanten wird weiterhin persönlich und vor Ort erfolgen, denn Lebensgefühl kann man nur persönlich verkaufen. Bei Bestandskunden werden wohl auch zukünftig Videokonferenzen ein geeignetes Mittel sein.

Unser eigener Antrieb beim Thema Ressourceneffizienz lässt sich wie folgt einfach zusammenfassen: Wir wollen mit gleicher Flamme mehr Steine produzieren!

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Gervelmeyer!