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Interview mit Dr. Peter Jahns, Leiter der Effizienz-Agentur NRW


Nach einem turbulenten Jahr 2021 sprachen wir mit dem Leiter der Effizienz-Agentur NRW, Dr. Peter Jahns, über die aktuelle Stimmung in der NRW-Wirtschaft, welche Rolle Ressourceneffizienz und Circular Economy zur Bewältigung gegenwärtiger Herausforderungen spielen können und welche thematischen Schwerpunkte die Agentur für das Jahr 2022 setzt.

Dr. Peter Jahns, Leiter der Effizienz-Agentur NRW.

Herr Dr. Jahns, Lieferengpässe, Preissteigerungen und die zunehmende Bedeutung des Klimaschutzes beschäftigen aktuell die Wirtschaft. Die EFA ist seit jeher nah dran an den Betrieben in Nordrhein-Westfalen. Wie ist aus Ihrer Sicht die Stimmung?

In vielen Branchen ähnelt sich das Bild: Die globalen Lieferketten sind infolge der Pandemie gestört, daraus ergeben sich Engpässe und fluktuierende Preise. Die Situation trifft zurzeit produzierende Betriebe wie Verbraucher*innen gleichermaßen. In NRW sind darüber hinaus die Folgen der Hochwasserkatastrophe vom vergangenen Jahr noch nicht bewältigt.

Die zurückliegenden zwei Jahre der Pandemie haben die Digitalisierung beschleunigt. Die Geschäfte verlagern sich immer stärker ins Internet – oft zu Lasten klassischer Strukturen. Wichtig ist es hier, Digitalisierung und Ressourcenschonung gemeinsam zu denken. Wir unterstützen Betriebe dabei mit unserem Ansatz Ressourceneffizienz 4.0.

Neben den Folgen der Pandemie muss die Wirtschaft auch die wachsenden Anforderungen an den Klimaschutz bewältigen. Hier gilt unserer Meinung nach: Ressourcenschutz ist der beste Klimaschutz.

Interessant sind die Gespräche mit den Unternehmen. Sie zeigen uns, wie sich die Betriebe mit diesen Herausforderungen engagiert auseinandersetzen – zum Teil aber auch diesen ausweichend begegnen.

Mit welchen Fragen kommen die Betriebe aktuell auf die Mitarbeiter*innen der EFA und Sie zu?

Die aktuelle Situation hat die Dringlichkeit bestimmter Fragestellungen in den Betrieben erhöht: Wie senken wir unseren Material- und Energieverbrauch? Wie können wir unseren Treibhausgasausstoß reduzieren? Wie können Produkte klimaschonender gestaltet und hergestellt werden?

Interessant ist, dass viele Unternehmen die Krise nutzen, um ihre Produktionsstrukturen zu hinterfragen. Dabei geht es nicht „nur“ darum, Prozesse effizienter zu gestalten, sondern auch neue Geschäftskonzepte zu entwickeln. Gerade der Mittelstand setzt alles daran, sich nachhaltig und zukunftssicher aufzustellen. Die Effizienz-Agentur NRW unterstützt hier aktiv mit ihren Schulungs- und Beratungsangeboten zur Ressourceneffizienz.

Besonders das Thema CO2-Reduzierung treibt die Betriebe um. Mit dem Treibhausgas-Bilanzierungstool ecocockpit der EFA können Unternehmen webbasiert und kostenfrei die nötigen Daten zu produkt-, prozess- und standortbezogenen Treibhausgas-Emissionen ermitteln. Auf dieser Basis lassen sich konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des Ausstoßes angehen – oftmals von den Materialströmen her. Die Nachfrage nach Schulungen zur Nutzung des Tools ist in den vergangenen zwei Jahren förmlich explodiert. Auch andere Bundesländer bieten inzwischen in Kooperation mit der EFA ecocockpit an.

Darüber hinaus planen viele Firmen Investitionen zur Verbesserung ihrer Ressourceneffizienz – hier unterstützen wir mit aktuellen Förderangeboten. Unsere Finanzierungsprofis sind zurzeit mehr gefragt als je zuvor.

Welche thematischen Schwerpunkte setzt die Effizienz-Agentur NRW im Jahr 2022?

Die Circular Economy (CE) ist für uns seit drei Jahren das zunehmend entscheidende Themenfeld. Um ressourcenschonender zu wirtschaften, müssen wir zukünftig mehr in ganzheitlichen Kreisläufen für Produkte und Stoffe denken. Die EU-Strategie der Circular Economy nimmt genau diesen Gedanken auf, indem vom Produktdesign ausgehend auf den gesamten Nutzungskreislauf geschaut wird.

Die Effizienz-Agentur NRW zeigt Unternehmen, wie sie an der CE partizipieren können. Damit dieses Thema aber in unserer Gesellschaft ins Laufen kommt, bedarf es der Mitwirkung aller Beteiligten, von der Herstellung über den Handel und uns Konsumenten bis hin zur Rückführung. Den Anfang dazu in NRW zu machen, ist angesichts der Marktbedeutung des Landes und der Sensibilität für die Umwelt sehr passend.

Ein zentraler Handlungsansatz ist hierbei das Circular Design. Darunter verstehen wir die Erweiterung des klassischen Ecodesigns um den Aspekt der nachhaltigen Geschäftsmodelle. Dabei werden auch Märkte, Handel, Dienstleistungen und Austauschbeziehungen innerhalb der Lieferkette miteinbezogen. Hiermit lassen sich große Potenziale zur Ressourcenschonung heben. Aber hier spielen nicht nur neue Technologien oder Geschäftsmodelle eine Rolle, sondern auch soziale Aspekte.

Mit unserem neuen Geschäftsfeld „Entwicklung und Kooperationen“ schauen wir, wie wir mit Unternehmen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Verbänden in kooperativen Verbundvorhaben Lösungen für neue Trends und Herausforderungen entwickeln können.

Wie hat sich aus Ihrer Sicht die Arbeit der Effizienz-Agentur NRW in den vergangenen zwei Jahren verändert?

Wir sind in unserem Arbeiten digitaler und flexibler geworden – nicht nur intern, sondern auch im Dialog mit den Unternehmen, ob nun bei Veranstaltungen, Initialgesprächen oder in tiefergehenden Beratungsprozessen. Was wir als Organisation in kürzester Zeit gelernt und umgesetzt haben, ist beeindruckend. Ohne den engagierten Einsatz unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wäre das so nicht möglich gewesen.

Auf der anderen Seite haben wir mehr Wertschätzung für persönliche Kontakte gewonnen – die früher so leichter möglich waren –, weil wir sehen, dass sich viele Probleme oder Fragen im direkten Gespräch doch leichter verdeutlichen und lösen lassen. Das Zwischenmenschliche spielt bei Veränderungsprozessen, wie sie in vielen Unternehmen gerade stattfinden, auch in Zeiten von Homeoffice und Videokonferenzen eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Herr Dr. Jahns, vielen Dank für das Gespräch.