Frau Dr. Tschesche, die Effizienz-Agentur NRW unterstützt mit ihrem Beratungsangebot seit vielen Jahren produzierende Unternehmen dabei, ressourcenschonender zu wirtschaften. Seit einigen Jahren rückt der Handel immer mehr in Ihren Fokus. Warum?
Der Handel spielt eine zentrale Rolle in der Wertschöpfungskette und hat einen direkten Einfluss auf Produktions- und Konsumentscheidungen. Durch seine Position an der Schnittstelle zwischen Produzierenden und Konsumierenden hat der Handel eine große Wirkmacht. Er kann branchenweite Standards und Best-Practices etablieren, die ein ressourcenschonendes und zirkuläres Wirtschaften fördern. So können Handelsunternehmen z. B. durch die Gestaltung von Beschaffungsprozessen, Lagerhaltung, Vertrieb und Entsorgung wesentlich dazu beitragen, den gesamten Lebenszyklus von Produkten nachhaltiger zu gestalten. Zudem hat der Handel durch Transparenz maßgeblich Einfluss darauf, das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum zu schärfen und VerbraucherInnen zu umwelt- und klimafreundlicheren Entscheidungen zu motivieren.
Welche Chancen, aber auch Hemmnisse für Circular Economy und Ressourcenschonung sehen Sie derzeit im Handel?
Die Chancen für den Handel liegen u. a. in der Kosteneinsparung durch eine verbesserte Ressourcennutzung und der Stärkung des Markenimages durch nachhaltige Praktiken – die gerade bei jüngeren VerbraucherInnen immer größere Bedeutung bekommen. Innovative Ansätze wie Rückführungssysteme, Sharing-Economy-Modelle und die Nutzung von Technologien wie KI und Blockchain können neue Märkte eröffnen und den Ressourcenverbrauch maßgeblich senken. Auch das Interesse an Second-Life-Marktplätze wächst stetig. Allerdings stehen Handelsunternehmen auch vor Herausforderungen, wie der Umstrukturierung von Lieferketten, der Implementierung neuer Standards und der Anpassung von Geschäftsmodellen. Diese Veränderungen erfordern Zeit, Ressourcen und eine enge Zusammenarbeit mit Lieferanten und anderen Partnern. Transparenz ist hier ein wichtiges Stichwort.
Wie kann die Effizienz-Agentur NRW den Handel dabei aktiv unterstützen?
Die Effizienz-Agentur NRW bietet Handelsunternehmen vielfältige Unterstützung an wie z. B. die Power-App zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Verpackungen. Die Bewertungsmatrix ermöglicht es Unternehmen, transparent und strategisch nachhaltige Verpackungsalternativen zu prüfen. Auch die Bilanzierung von Treibhausgasemissionen ist ein wichtiges Thema für den Handel. Hier unterstützen wir mit unserem etablierten Bilanzierungstool ecocockpit und eröffnen damit erste Schritte Richtung Nachhaltigkeitsberichterstattung. Wenn es darum geht, ressourcenschonendere Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle zu entwickeln, können Unternehmen unsere Beratungsangebote zur Ressourcenschonung nutzen. Oder mit unserem CIRCO-Hub konkrete Umsetzungsideen für eine Circular Economy im eigenen Unternehmen erarbeiten. Darüber hinaus unterstützen wir Unternehmen bei der Umsetzung von Maßnahmen mit unserer Finanzierungsberatung und fördern den Austausch über Best-Practices.
Am 20. Juni 2024 lud die EFA zur ersten Veranstaltung „Handel & Konsum“ nach Essen ein. Welche Ansätze wurden im Rahmen der Veranstaltung „Handel & Konsum“ am 20. Juni in Essen vorgestellt?
Bei unserer Veranstaltung in Essen haben wir eine Vielzahl von innovativen Ansätzen präsentiert. Philipp Heldt von der Verbraucherzentrale NRW sprach über den „Konsum der Zukunft“ und betonte die Rolle der Verbraucher in der Förderung nachhaltiger Praktiken. Julia Frings vom ECC Köln beleuchtete die Bedeutung von Nachhaltigkeit im Einkauf aus Sicht der Konsumenten und Beschaffer. Ein praktisches Beispiel lieferte Michael Gliss, Geschäftsführer der Gliss Caffee GmbH & Co. KG, der u. a. über die Verwendung von Bio-Kaffees und kompostierbaren Kaffeekapseln berichtete.
Eine wichtige Schlussfolgerung aus den Vorträgen und Diskussionen ist, dass der Handel, proaktiv über seine Aktivitäten zur Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit kommunizieren muss, gerade in Richtung Konsumenten. Dabei geht es nicht um „Green Washing“ oder Marketing, sondern um Aufklärungsarbeit - also Transparenz -, warum z. B. ein Produkt, das zirkulär gestaltet wurde oder aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, mehr kostet. Nur aufgeklärte und sensibilisierte Kunden können das in ihre Kaufentscheidung einfließen lassen. Ein anderer wichtiger Punkt ist die Kommunikation und der Austausch innerhalb der Wertschöpfungsketten. Handelsunternehmen haben hier großes Potenzial, da sie in den Verhandlungen mit ihren Zulieferern Standards festsetzen können, nicht nur um regulatorische Vorgaben zu erfüllen, sondern um aktiv die Weichen in Richtung Circular Economy zu stellen.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Tschesche.
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