Herr Pohlmann, was macht Ihr Unternehmen?
Wir sind ein klassisches, inhabergeführtes mittelständisches Familienunternehmen. Vielleicht können wir das im besten Sinne „klassisch“ so erklären: Seit kurzem haben wir einen Instagram-Account, und in einem der dort veröffentlichten Beiträge hat eine Auszubildende gesagt wie toll sie es finde, dass der Chef jeden Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter mit Namen kenne. Ich denke, das sagt schon sehr viel aus.
Das Unternehmen wurde 1953 gegründet und wird in dritter Generation geführt. Von den weltweit 230 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sind rund 130 am Stammsitz in Detmold tätig. Wir stellen Lacke, Farben, Beizen, Patinierfarben sowie Wachse und Öle her. Unter dem Dach der PCG Group werden mehrere Unternehmen geführt, von Produkten für die Industrie über den Handwerkerbedarf bis hin zu Lacken für die Folienbeschichtung.
Meist geht es nicht um Produkte von der Stange, sondern wir entwickeln gemeinsam mit den Kunden individuelle Lösungen für deren Anforderungen. Dazu haben wir extra ein eigenes Technikum aufgebaut, in dem wir Produktionsprozesse und Produktauswirkungen simulieren können. Das spart signifikant Zeit und Kosten für den Kunden, der seine Produktion entsprechend nicht für einen gewissen Zeitraum sozusagen lahmlegen muss, um die Voraussetzungen und Einrichtung für das neue Produkt bzw. die neue Beschichtung zu schaffen und Fehler auszumerzen, bevor der echte Betrieb beginnen kann.
Wie kamen Sie dazu, sich mit dem Thema Agiles Arbeiten zu beschäftigen? Was war der Auslöser, wie sind Sie darauf aufmerksam geworden?
Das auslösende Thema war „Veränderung“. Wir sind in den vergangenen Jahren in relativ kurzer Zeit stark gewachsen, und die Strukturen wachsen bei solchen schnellen Prozessen nicht in gleichem Maße mit. Bei der Suche nach Verbesserungsmöglichkeiten bin ich auf die Veranstaltungsreihe aufmerksam geworden und nach dem positiven Eindruck meiner ersten Teilnahme dabei geblieben. Ich hatte zwar eine Vorstellung, was sich hinter „agilem Arbeiten“ verbirgt, aber habe bis dahin selber keine Erfahrungen damit gemacht. Ich sehe agiles Arbeiten als gute Möglichkeit, auf die weiter wachsende Komplexität bei Prozessen und Produkten, aber auch bei sich ändernden Marktanforderungen zu reagieren.
Wie sind Ihre Erfahrungen?
Zunächst einmal bin ich bestätigt worden in meiner Überzeugung, dass der Blick von außen enorm wichtig ist. Wir haben zum Beispiel viele langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in ihrem Berufsleben keinen andern Arbeitgeber kennengelernt haben. Da kann der Anstoß für neues, anderes Denken und Handeln fast nur von außen kommen. Wichtig ist das vor allem wenn man wie wir in relativ kurzer Zeit schnell wächst, auch personell. Da muss gefragt werden, ob die Prozesse noch so wie bisher funktionieren oder ob Veränderungen nötig sind.
Das klingt aber einfacher als es ist, denn die Kolleginnen und Kollegen machen ihre Arbeit ja aus ihrer Sicht sehr gut, was ja auch völlig berechtigt ist. Die Herausforderung besteht darin, alle von der Wichtigkeit und Richtigkeit des Veränderungsprozesses zu überzeugen und mitzunehmen. Das aber ist weniger eine organisatorische, sondern eine kommunikative Aufgabe.
Was beispielsweise den Bereich Dokumentation angeht, sind wir auf einem guten Weg, und auch die Herausforderung, alle auf dem gleichen Wissensstand zu halten, gelingt gut.
Unsere Inventur zum Beispiel haben wir jetzt mit Elementen des agilen Arbeitens geplant und umgesetzt. Da haben die Beteiligten schon gemerkt, dass das bisherige Verständnis des Arbeitsablaufes unterschiedlich war. Mit der jetzt gemeinsam erarbeiteten Herangehensweise ist der Prozess wesentlich effizienter geworden.
Bei der Projektarbeit ist es bisher eher so, dass an bestimmten Stellen Entscheidungen, wenn es zum Beispiel Probleme gibt, nicht selbst getroffen, sondern den Vorgesetzten überlassen werden. Da müssen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch lernen, eigenständiger zu arbeiten. Auf der anderen Seite müssen wir als formal Vorgesetzte auch lernen, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Vertrauen in ihre Fähigkeiten entgegenzubringen.
Wir haben jetzt aber kein grundlegendes Konzept „Agiles Arbeiten“ entwickelt, sondern machen das in bestimmten Bereichen. Wir implementieren agiles Arbeiten in Teilbereichen sozusagen in homöopathischen Dosen. Das erscheint mir auch der bessere Weg, es muss nicht zwingend alles umgekrempelt werden. So haben wir beispielsweise gemeinsam ein neues Arbeitszeitmodell mit Methoden des agilen Arbeitens entwickelt. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren selber überrascht, wie schnell man zu guten und von allen akzeptierten Lösungen gekommen ist, die wirklich alle aus der Gruppe gekommen sind.
Was ist für Sie ein „Agiles Mindset“? Welche Elemente sind hier für sie wichtig?
Agiles Mindset bedeutet für mich vor allem anderen die Offenheit für Veränderungen. Es geht um die grundsätzliche Bereitschaft, anderen, neuen Ideen und Ansätzen gegenüber offen zu sein und so die Chance zu haben, Verbesserungen in den Arbeitsprozessen zu erreichen.
Dazu muss man aber auch wissen, wo Veränderungen sinnvoll sein können. Eine tiefe Kenntnis des Unternehmens in allen Bereichen ist dabei natürlich von entscheidendem Vorteil. Ich bin beispielsweise auch für die ISO-Zertifizierung im Betrieb verantwortlich. Das ist zwar manchmal mühselig, dadurch aber habe ich wirklich alle Unternehmensbereiche sehr gut kennengelernt. Auch habe ich in der Produktion mitgearbeitet, einfach um die Prozesse und Abläufe in der täglichen Arbeit besser zu verstehen. Mit diesem Wissen ist es einfacher, Dinge zu beurteilen.
Haben Sie dieses Thema „Agiles Arbeiten“ von Beginn an mit dem – auf den ersten Blick eher fernliegenden - Thema „Ressourceneffizienz“ verknüpft?
Nein, das Thema Ressourceneffizienz habe ich damit zunächst gar nicht in Verbindung gebracht. Aktuell führen wir zwar ein gefördertes Beratungsvorhaben zur Steigerung der Ressourceneffizienz mit der Effizienz-Agentur durch, in dem Ansatzpunkte im Hinblick auf die Senkung des Materialverbrauchs ermittelt werden. Dazu werden der Auftragsabwicklungsprozess analysiert, Potenziale zur Ressourceneinsparung identifiziert und quantifiziert sowie Maßnahmen entwickelt. Besonders wichtig ist, dass in diesen Projekten die Umsetzung integraler Bestandteil ist, denn nur umgesetzte Maßnahmen senken den Ressourcenverbrauch. Aber die Verknüpfung zum agilen Arbeiten habe ich auch in diesem Projekt nicht hergestellt.
Wen man aber nachdenkt, ergibt sich dieser Zusammenhang an anderen Stellen doch recht schnell. So haben wir eine zweite Produktionshalle gekauft und planen gerade die Produktionsprozesse dafür. Wichtig ist dabei natürlich die Abbildung der Waren- und Stoffströme, die wir zu Zeit auch mit Methoden des agilen Arbeitens erarbeiten. Wir erwarten davon schon einen echten positiven Effekt im Hinblick auf effizientere und damit auch material- und energiesparende Prozesse an dem weiteren, neuen Standort. So werden automatische Ansatzstationen geplant, wo das nicht möglich ist, werden die Wege weiter optimiert. Mit jeder Steigerung der Effizienz in der Zeit ist auch eine gesteigerte Ressourceneffizienz zu erwarten.
Ist Agiles Arbeiten ein Modell für die Zukunft des Wirtschaftens über Ihr Unternehmen hinaus?
Meiner Meinung nach wird sich das Arbeiten grundsätzlich verändern bzw. es verändert sich ja schon. Nehmen wir die Digitalisierung, die rasant Einzug in alle Bereiche der Arbeitswelt hält und vermeintlich feststehende Prozesse und manchmal auch Geschäftsmodelle über den Haufen wirft. Agiles Arbeiten ist dann eine der Methoden, die zum Einsatz kommen können. Es geht in meinen Augen vor allem um Unterstützung bei Veränderungen in vertretbaren Zeiträumen, die von allen mitgetragen werden. Dafür muss aber wie gesagt nicht das ganze Unternehmen agil arbeiten in diesem Sinne. In bestimmten Bereichen bei definierten Problemstellungen oder Herausforderungen macht das Sinn, das heißt aber nicht zwingend, dass es so eine Art Unternehmensphilosophie werden muss.
Herr Pohlmann, vielen Dank für das Gespräch!